Cover
Titel
Keramik aus Langnau. Zur Geschichte der bedeutendsten Landhafnerei im Kanton Bern


Autor(en)
Heege, Andreas; Kistler, Andreas: Keramik
Erschienen
Bern 2017: Bernisches Historisches Museum
Anzahl Seiten
844 S.
von
Christoph Messerli

Diese umfassende Publikation zur Geschichte der Langnauer Keramik erschien 2017 als dreizehnter Band in der Reihe Schriften des Bernischen Historischen Museums. Sie besteht aus einem Text- und einem kommentierten Katalogband einschliesslich einer DVD mit Bildern, einer Datenbank und ergänzenden Texten. Mit Unterstützung namhafter Sponsoren wurde dieses über 800-seitige Werk anlässlich des Jubiläums 550 Jahre Marktrecht Langnau veröffentlicht. Seit dem Projektbeginn 2014 gelang es dem Autorenteam, mehr als 2000 in Langnau hergestellte Gefässe und Ofenkacheln in öffentlichen und privaten Sammlungen ausfindig zu machen. Die äusserst sorgfältige Aufarbeitung und Kontextualisierung des umfangreichen Quellenmaterials – bestehend aus erhaltener Keramik, archäologischen Funden, Handschriften, Zeichnungen, Drucksachen und historischen Fotos – zeichnen diese Publikation besonders aus. Im Hinblick auf die immense Zahl zusammengetragener Keramiken schien es folgerichtig, diese in einem separaten Katalog nach Gefäss- beziehungsweise Formgattungen einzuteilen. Der klar strukturierte Textband (erster Band) gliedert sich in zehn Hauptkapitel zur Geschichte der Langnauer Keramik vom 17. bis ins 20. Jahrhundert. Immer wieder begegnet man Erzeugnissen aus der Hafnerdynastie Hermann (56 Hafner), der die Autoren zu Recht einen besonderen Stellenwert beimessen.

Diese gründliche Recherche ist weit mehr als eine genealogische, historische und archäologische Informationen zusammentragende Studie. In den ersten vier grossen Hauptkapiteln gelingt es den Autoren, das Berufsbild der Langnauer Hafner in seiner ökonomischen Entwicklung umfassend aufzuzeigen. Liegenschaften und die darin untergebrachten Werkstätten bildeten den geografischen Ausgangspunkt und somit die lokale Verortung der Produktion. Unter Miteinbezug von historischen Karten, Werkzeugen, Keramikfunden usw., die mit den Liegenschaften in Beziehung stehen, erhält man einen fundierten Einblick in die unter- und mittelständische Lebenswelt der Langnauer Hafnerfamilien des 18. und frühen 19. Jahrhunderts. Einen weiteren Zugang zum damaligen ländlichen Alltag ermöglichen uns die reichen Darstellungen und Sprüche auf den Keramiken. Diese sind ein wahrer Schatz, den zu entdecken es sich lohnt. Kommentierte Szenen aus der Welt der Männer und Frauen, politische Ereignisse, Schweizer Nationalmythen, Architektur- und Tiermotive bilden ein gelungenes Zusammenspiel von Bild und umlaufendem Text. Diese Stücke sind gewissermassen sprechende Zeitzeugen, die uns über damalige Gepflogenheiten, gesellschaftliche Normverständnisse, moralische und humoristische Auffassungen berichten.

Für Kenner und Sammler der Berner Keramik des 18. bis 20. Jahrhunderts hält der kommentierte Katalog (zweiter Band) viele ungeahnte Überraschungen bereit. Nebst dem Reichtum an gebräuchlichen Formen wie Kannen, Butterfässer, Dosen, Giessfässer, Rasierbecken, Schüsseln, Teller und Terrinen stösst man plötzlich auf keramischen Orgelschmuck. Diese Schmuckelemente stammen aus der reformierten Kirche Langnau und werden dem damals bedeutendsten und einflussreichsten Hafner, Daniel Hermann (1736 – 1798), zugeschrieben. Das Formen- und Dekorspektrum dieser Hafnerpersönlichkeit ist besonders vielseitig und qualitätsvoll. Alleine wegen der herrlichen Kostbarkeiten aus der Werkstatt von Daniel Hermann lohnt es sich, diese beiden Bände von Andreas Heege und Andreas Kistler immer wieder zur Hand zu nehmen. Es ist ein wahrlicher Genuss, sich an der Vielzahl fotografierter Keramiken, die in 36 Museen und 42 Privatsammlungen aufgespürt wurden, zu erfreuen und sich ausgehend davon dem Text zuzuwenden.

Das Gesamtgewicht beider Bände von fast 5 Kilogramm erschwert zwar den Umgang mit dem Werk, dieser Umstand ist jedoch im Hinblick auf die Menge derart fantastischer Keramikschätze zu vernachlässigen. Eingefasst zwischen je zwei Buchdeckeln erwirbt der Käufer die bisher umfangreichste dokumentierte Zusammenstellung von Langnauer Keramik. Beim Anblick dieser Kostbarkeiten wäre es somit durchaus verständlich, dass einzelne Interessierte und Sammler den Wunsch hegen,
einige der publizierten Objekte selbst zu besitzen. Ihnen sei gemäss einem umlaufenden
Spruch auf einem Teller von 1797 der folgende Rat mitzugeben: «Liebe was
fein ist, wenns schon nicht mein ist, und ich es schon nicht haben kann, so hab ich
doch die Freud daran.»

Zitierweise:
Christoph Messerli: Rezension zu: Heege, Andreas; Kistler, Andreas: Keramik aus Langnau. Zur Geschichte der bedeutendsten Landhafnerei im Kanton Bern. Bern: Bernisches Historisches Museum 2017. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 83 Nr. 1, 2021, S. 54-56.

Redaktion
Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 83 Nr. 1, 2021, S. 54-56.

Weitere Informationen